Voller Freude und Elan, voller Motivation startete ich ins Tango-Jahr 2020. Frisch zurückgekehrt aus Buenos Aires, nach rund fünf Wochen Tango, Tango, Tango y nada más. Die ersten Milongas in Berlin waren wunderbar. So schön, alle wiederzusehen und zu tanzen, zu tanzen, zu tanzen.
Irgendwann im Januar holte mich der typische Buenos Aires Rückkehr-Blues ein. „Ach, das ist hier einfach alles nichts. Die Milongas langweilig, der Tango so lala, die Tänzer:innen erst recht.“ Und auch mit meinem eigenen Tanz wurde ich immer unzufriedener. Jetzt da ich nicht mehr jeden Tag stundenlang tanzte und übte, war der „Verfall des Könnens“ rapide spürbar. Die traumwandlerische Sicherheit im Tanz schwand und ich litt darunter. Also lieber gar nicht tanzen, lohnt sich hier sowieso nicht, lautete meine trotzige Antwort.
Gerade zum richtigen Zeitpunkt kam da der Tango Queen Congress in Saarbrücken – ein Highlight in meinem Tango-Jahr. Ein Wochenende nur mit Tango-Frauen. Führen, Folgen, Austauschen. Und dabei viel Freude haben. Das Wochenende weckte in mir die Motivation, meine „Tango-Führungsqualitäten“ weiter auszubauen. Um meinem Committment für dieses neue Ziel eine äußere Form zu geben, kaufte ich mir quietschrosane Tangoschuhe zum Führen. Ich fand eine Übungspartnerin und wir mieteten uns schon kurz darauf einen Übungsraum. Immer samstags wollen wir hier Führen üben. Leider kam es dazu nur ein einziges Mal…. denn dann kam Corona.
Aus der ersten Schockstarre weckte mich Lea Martin mit der Idee, eine Tangointerviewreihe zu initiieren, die Tango-Schaffende in Berlin vorstellt und gleichzeitig zu Spenden aufruft. Somit verbrachte ich meine Freizeit statt mit Tangotanzen nun damit Interviewpartner:innen anzuschreiben, Interviews zu führen, zu prüfen und zu veröffentlichen. Nebenbei spendete ich selbst fleißig für die Tangowelt.
Plötzlich war also alles online und auch der Tango wurde virtuell. Tango ohne Anfassen. Strange genug, doch auch eine Chance. Ich nahm Solo-Unterricht mit Lehrer:innen aus Buenos Aires, natürlich per Zoom. Musikalität, Technik, Haltung, Körperübungen, Talks, alles war dabei. Es machte Spaß. Zumindest für ein paar Wochen. Dann hatte ich genug vom „Trockentraining“.
Was ein Glück, als ein Tangofreund mich fragte, ob ich nicht mit ihm ab und an ein bisschen tanzen wolle. In seiner Wohnung gab es nicht nur Platz, sondern auch einen guten Boden. Hurraaaa! Doch zu früh gefreut, rund sechs Wochen hatte ich mit keinem echten Partner mehr getanzt und auch nicht auf hohen Schuhen gestanden. Ich fühlte mich wie ein Anfänger-Rehlein, stakste unbeholfen herum und hatte irgendwie trotzdem Freude dabei. Also machten wir weiter und tanzten von Zeit zu Zeit zuhause. Irgendwann merkten wir, dass die Absätze auf den Dielen doch Abdrücke hinterließen, also wechselte ich auf flache Schuhe. Eigentlich tanze ich nie auf flachen Schuhen, doch was soll’s. Not macht erfinderisch, auch beim Tango. Immerhin gab’s ja keine Zuschauer:innen.
Manche verabredeten sich online zum gemeinsamen Tangos hören und – sofern ein:e Tanzpartner:in im eigenen oder im nun so wichtig gewordenen zweiten Haushalt vorhanden war – sogar zum Tanzen. Über Zoom natürlich, quasi als Milongaersatz. Ab und an hörte ich auch von ersten (nicht virtuellen) privaten Underground-Milongas. Doch ich war für mich zufrieden, so wie es war.
Dann kam der Sommer. Ein kurzes Aufatmen… Tangolehrer:innen schrieben Nachrichten: Es gehe wieder los, sie freuen sich. Milongas im Freien, Practicas drinnen. Feste Paare natürlich, klar. Begrenzte Teilnehmerzahlen, sowieso. Und Eintrittspreise, die vermutlich für die Veranstalter sogar einen Gewinn versprechen würden, wenn, ja wenn sie die Bude vollmachen dürften.
Doch immerhin, ein bisschen Tangoluft konnten wir wieder schnuppern. Ob mit oder ohne Maske… Erleichterung.
Als es kälter wurde: Tanzen mit Lüften, im dicken Pulli oder Jacke…. die leichten Kleidchen blieben im Schrank. Dennoch besser als gar nicht tanzen, oder?
Nebenbei die Suche nach einem Übungsraum für mehr Platz und freies Tanzen mit hohen Schuhen auch im Winter…
Auch mal wieder Unterricht. Zwei motivierte Lehrer:innen für acht Schüler:innen, feste Paare. Die Korrekturen prasseln auf uns ein, ständige Beobachtung, keine Gnade. Und natürlich: Kein Anfassen, kein kinästhetisches Lernen mit den Lehrer:innen. Erkenntnis: Der neue Tangounterricht ist anstrengend, viel anstregender als früher. Hatte ich mir „damals“ oft mehr Aufmerksamkeit der Lehrer:innen gewünscht, wäre ich nun manchmal dankbar für etwas weniger. Dann der Schreck, ein Mitschüler hatte engen Kontakt mit einer „Infizierten“. Wir halten die Luft an, doch sein Test ist negativ. Ein Glück. Wir atmen auf. Plötzlich ist das Lehrerpaar nur noch zur Hälfte da, Erkältungssymptome sind der Grund. Richtige Ruhe kehrt nicht ein. Am Ende breche ich mir den Zeh und das war’s dann mit dem Kurs. Sollte wohl nicht sein.
Ab November war sowieso wieder Schluss mit lustig. Und so bleibt’s auch bis zum Jahresende…. Schauen wir, was 2021 bringt.
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