Zack – da war es wieder. Der Tango ist verklungen, wir haben uns aus der Umarmung gelöst, im Gefühl noch im letzten Tanz und innerlich schon voller Vorfreude auf den kommenden Tango. Unsere Blicke treffen sich, ein Lächeln und dann – tja, da sind sie wieder. Diese kleinen automatischen Bewegungen, die passieren, ohne dass ich darüber nachdenke, ohne dass sie eigentlich notwendig wären. Meinen Fokus zurück auf mich selbst bringen, mich den Partner für einen Moment vergessen lassen. Ich streiche meine Haare glatt, ziehe mein Kleid nach unten, richte die Träger, überprüfe den Ausschnitt. Klar, kann man alles machen, muss man aber nicht und bringen tut’s auch nix, denn in drei Minuten kann ich damit schon wieder von vorne anfangen.
Ich nehme mir vor, nach dem nächsten Lied diese kleinen Nutzlos-Handlungen bewusst wegzulassen. Mit viel Konzentration gelingt es mir und fühlt sich doch komisch an. Stattdessen beobachte ich meinen Partner. Er streicht mit der Hand durch seine Haare, fasst an den Kragen seines Hemdes, trocknet seine Handflächen möglichst unauffällig an seiner Hose. Ich muss innerlich schmunzeln. Same same, but different.
Im Laufe des Abends beobachte ich diese kleinen Verlegenheits- oder Automatismus-Gesten der Tanzenden zwischen den Liedern ganz genau. Da werden Hände in die Hüften gestützt, Gürtelschnallen wieder richtig platziert, Schuhe überprüft, Hosen hoch- und Tops runtergezogen, sich am Kinn gekratzt, Schultern und Kopf gekreist, die Stirn abgetupft, nach Ohrringen getastet, Halsketten lang gezogen, Hemden oder Jacketts glattgestrichen, Knopfleisten überprüft und Brillen wieder nach oben geschoben – und das ist nur eine kleine Auswahl. Das Repertoire scheint schier unerschöpflich. Wohl dem, der einen Fächer hat und diesen plötzlich aufkommenden Aktionismus zwischen den Liedern sinnvoll zum beiderseitigen Gewinn nutzen kann.
Ich frage mich nach der psychologischen Bedeutung dieser Handlungen: Nach der geteilten Nähe des Tanzes sich seiner selbst wieder vergewissern, Re-Individualisierung quasi? Eine kleine Distanz zum*r Partner*in aufbauen, im Sinne von „Jetzt kümmere ich mich erstmal um mich“, um sich dann erneut ganz und gar auf den*die andere*n einlassen zu können? Nach dem „sich im gemeinsamen Tanz verlieren“, sich erstmal wieder „in Ordnung“ bringen, sich finden, die unmittelbar sichtbaren Folgen des Tanzens beseitigen, sich bereit machen, hübsch machen, vorbereiten auf den kommenden Tango?
Kommentar verfassen