Unnützes Geplapper

Buenos Aires – Vibes

Es ist gemeinhin bekannt, in Buenos Aires werden halbe Tangos verquatscht, bevor getanzt wird. So ist es auch heute. Das eine Lied zu Ende, das nächste noch nicht oder gerade erst angefangen. Auf der Tanzfläche bewegt sich nix. Es wird geplappert, gelacht, manchmal sogar geflirtet. Es werden Banalitäten ausgetauscht, Tipps, Erfahrungen, Komplimente oder auch Facebook-Kontakte. Vielleicht werden sogar Verabredungen getroffen oder Geschäfte angebahnt? Wer weiß… Zwischen all dem plaudernden Tanzvolk stehen sie – auf die Plätze, fertig, los , ready to go. Bereits in Tanzpose, die Ohren spitzend, um die Musik besser zu hören. Einige sind sichtlich genervt und ungeduldig. Manche von ihnen beginnen schon, auf der Stelle zu tanzen, den Platz, den sie haben, mit Tango-Kunststückchen zu füllen. Es wirkt etwas bizarr, diese nervösen Bewegungen inmitten der entspannten Menschenmenge auf der Tanzfläche. Sie kommen aus Europa, aus Asien oder den USA. Sie wollen tanzen – zack-zack, keine Zeit verlieren. Wir sind doch nicht zum Spaß hier. Was soll dieses unnütze Geplapper? Dieses blöde Rumgestehe auf der Tanzfläche, obwohl die Musik schon läuft? Wenn’s nach ihnen ginge, würden sie das alles hier vermutlich anders organisieren, effizienter, geordneter, straffer. Wie auf der Rolltreppe: rechts stehen, links gehen. Doch hier dauert es eben, ehe sich der Tänzer*innen-Schwarm in der Ronda in Bewegung setzt. Da ist nichts zu machen. Irgendwann fließt er endlich. Gleichmäßig, stetig, recht geordnet. Bis zum Ende des nächsten Tangos.

 

In der losen Reihe „Buenos Aires Vibes“ schreiben wir auf unserem Tangoblog über Beobachtungen und Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit dem Tango Argentino in Buenos Aires gemacht haben.

8 Antworten auf „Unnützes Geplapper

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  1. When in Rome, do as the Romans do.“
    Es stört etwas, wenn die Touristen als Heimkehrer das unnütze Geplapper beibehalten, möglicherweise um zu demonstrieren, dass sie in Buenos Aires wenigsten das gelernt haben. Aber gut, irgendwie kommt man ja zumeist dran vorbei.

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  2. Es gibt auch deutsche Tanzlehrer, die unter Hinweis auf argentinische Sitten auf das Small Talk Opening hinweisen und es einfordern. Manche geben sogar richtige Anleitungen, nach dem Motto, sprechen Sie kurz über das Wetter oder fragen Sie Ihr gegenüber, wie ihr Tag gewesen sei.
    Es ist immer nett anzuschauen, wie die Small-Talk-Schwächlinge davon überfordert bzw. völlig irritiert sind. Und manchmal, die leuchtenden weiblichen Augen mit dem verwunderten Blick, „oh, da interessiert sich jemand für mich“, die gar nicht wissen, was sie mit so viel an teilnehmender Nachfrage anfangen sollen.
    Und die Tanzlehrer verweisen hierbei nicht nur auf argentinische Gebräuche, manche vergessen nicht zu betonen, dass nach dem Small-Talk-Opening der erste Schritt energetisch eine ganz andere Energie hätte.

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  3. @wirdschonwerden sehe ich auch so, teilweise schon affektiert das Pretanzgeplapper. Ein alter Mechanismus zum Kennenlernen im Auge der strengen Sitten, heutzutage mehr im wegstehender Klamauk. Lustigerweise auch bei Paaren die während der ganzen Milonga zusammen an einem Tisch sitzen. Wird gerne von Tradis zelebriert. Man könnte meinen so dolle ist das Tanzgefühl und Musik dann doch nicht wenn man die Zeit mit Geplapper verschwendet und ob das soziales Tanzen ist anderen im Weg zustehen, ist die Frage.

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  4. Wenn jemand so gar nichts sagt, ist das aber auch komisch. Zumindest kann dann eine unangenehme Stimmung entstehen. Wenn jemand zu viel redet, frage ich mich manchmal „Oha, der plappert lieber mit mir Nonsense, als mit mir zu tanzen, was will mir das sagen?“
    Und auf fremden Milongas oder auf Festivals hat der Small Talk tatsächlich noch den Zweck von Kennenlernen und Kontakt aufbauen. Finde das gar nicht so überholt.

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    1. Auf fremden Milongas oder auf Festivals bleibt es mein Problem, dass ich mir nicht mal den Namen merken kann. Spricht aber ja gar nichts dagegen, sich etwas an die Seite zu stellen und zu schnacken. Nur ein Buenos-Aires-Heimkehrer mit Platzhirsch-Attitüde wirkt bisweilen lächerlich…

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  5. Beim Tango sollte man auf dem Parkett ausschließlich mit den Beinen sprechen. Alles andere lenkt nur von dieser herrlichen Musik ab. Wer nicht jede Sekunde davon genießen möchte, sollte einfach sitzen bleiben oder die Tanzfläche für die Zeit des Redens mit dem Mund verlassen.

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  6. Kann man, muss man natürlich nicht. Aber was hinderte einen daran, mit dem Reden wieder aufzuhören, wenn die Musik anfängt. Schon allein deswegen, weil man sie dann auch selbst besser hören kann. 🙂

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